EU-Parlament billigt neue E-Privacy-Verordnung – Ein Hemmschuh für die Digitalwirtschaft

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Für viele Experten war es eine Überraschung. Andere hingegen hatten bereits damit gerechnet, dass das EU-Parlament dem Entwurfstext der E-Privacy-Verordnung zustimmen würde. Wie groß die Zustimmung war, überraschte dann dennoch, denn 318 der 618 Abgeordneten stimmten zu, während sich 280 dagegen aussprachen und 20 enthielten. Zusammen mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft tritt, kommt auf die Digitalwirtschaft nun der nächste Herausforderungs-Tsunami zu. Welchen Einfluss hat die E-Privacy-Verordnung nun also auf das Online- und Performance-Marketing?

Ein Schlag ins Kontor der Digitalwirtschaft

Eine der Haupterrungenschaften der Digitalisierung und Vernetzung über das Internet ist die beinahe unendliche Verfügbarkeit von Inhalten, die zumindest für den User oft kostenfrei bereitgestellt werden. Möglich machen dies unter anderem erst werbefinanzierte bzw. erfolgsbasierte Geschäftsmodelle wie Pay per Click, Pay per Sale oder Pay per Lead. Dieses System schafft eine Win-win-Situation für alle Parteien. Dass nun aber ausgerechnet die doch angeblich auf die Digitalisierung setzende EU auf Druck der Datenschutzlobby dazwischen grätscht, scheint paradox. Schließlich strebt die EU-Kommission ihrerseits doch einen digitalen Binnenmarkt im Kontext der „Data Economy“ und des „Free Flows of Data“ an.

Thomas Duhr, Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), kritisierte das Abstimmungsergebnis scharf. Laut Duhr zeige der Entwurf der Verordnung „einen gefährlichen Mangel an Rechts- und Technikverständnis der Beteiligten.“ Ferner sieht Duhr darin „einen fundamentalen Einschnitt in die Funktionsweise digitaler Netzangebote“. In besonderer Weise bedroht sei das Vorhandensein kostenloser Inhalte im Netz, die sich über Werbeeinnahmen finanzieren. Susanne Dehmel (Bitkom) stieß in ein ähnliches Horn und betonte, dass „die E-Privacy-Verordnung die Bemühungen der EU-Kommission und der Mitgliedsstaaten torpediere, die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in Europa voranzutreiben.“

Reichweitenmessung kaum mehr möglich

Bei Online-Marketern sorgt vor allem die künftige Verwendung von Cookies für Bauchschmerzen. Geht es nach der E-Privacy-Verordnung, wird die bisher gültige Regelung nach § 15 Abs. 3 TMG ersatzlos gestrichen. Damit kann die Opt-out-Lösung von Unternehmen für die Erstellung von pseudonymisierten Nutzerprofilen nicht mehr verwendet werden. Webseitenbetreiber dürfen Cookies in Zukunft demnach nur noch dann einsetzen, wenn eine explizite Zustimmung des Users vorliegt. Ausnahmen sollen lediglich dann möglich sein, wenn es sich um Leistungen handelt, die direkt durch den User angefordert werden. Das größte Problem besteht allerdings darin, dass die Reichweitenmessung u.a. über Web Analytics massiv erschwert wird. Damit gerät auch der Grundpfeiler der Messbarkeit im Performance-Marketing ins Wanken. In der Folge ist es künftig wohl kaum noch möglich Reichweitenmessungen durchzuführen, aus denen sich verlässliche Kennzahlen für die Gestaltung des Online-Angebots gewinnen lassen. Kostenlose journalistische Inhalte könnten damit in Zukunft deutlich abnehmen, was zu einer Reduktion der Meinungsvielfalt in der Informationsgesellschaft führt.

E-Mail-Marketing: Werbliche Inhalte nur nach Zustimmung

Ähnliche Einschnitte müssen Marketer auch im Bereich des E-Mail-Marketings hinnehmen. Ist es bis dato noch möglich, E-Mails mit werblichem Inhalt an potentielle Kunden zu versenden, darf dies in Zukunft ebenfalls nur nach ausdrücklicher Einwilligung geschehen. Durch diese Einschränkung wird die Neukundengewinnung ebenso erschwert wie im Fall der Cookies das zielgruppengerechte Display-Advertising. Ausnahmen wird es der E-Privacy-Verordnung gemäß nur noch geben, wenn das werbende Unternehmen die Adressdaten des Kunden im Rahmen des Verkaufs eines Produkts oder einer Dienstleistung erhoben hat und für ein ähnliches Produkt aus dem eigenen Portfolio geworben werden soll.

Dass die neue Verordnung aber nicht nur Nachteile mit sich bringt, zeigt das Verbot von Backdoors in Softwareprodukten. Diese Lücken dürfen nach der E-Privacy-Verordnung nicht einmal dann existieren, wenn sie für Zwecke der nationalen Sicherheit genutzt werden würden. Auch wenn der finale Wortlaut der Verordnung noch nicht klar ist, ist jedoch sicher, dass sie das Online-Marketing erheblich verändern wird. Unternehmen sollten daher frühzeitig damit beginnen, sich mit ihren Systemen auseinanderzusetzen und bereits jetzt Alternativen erarbeiten. Bevor die E-Privacy-Verordnung in geltendes Recht gegossen wird, stehen allerdings noch zähe Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsstaaten an.

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